Georg Christoph Wagenseil (1715 - 1777) zählt in mehr als einer Hinsicht zu den Wegbereitern der Wiener Klassik. Seine Werke gehörten zum Unterrichtsprogramm, mit dem Leopold Mozart seinen Sohn im Klavierspiel schulte, und für die frühen Klaviersonaten Haydns waren seine Kompositionen formbildend. Diese Leistung ist umso bedeutender, als seine stilistischen Anfänge noch ganz von der barocken Musiksprache seiner Lehrer Gottlieb Muffat und Johann Joseph Fux geprägt waren.
Wagenseil, der zunächst als Organist und schließlich als Hofkompositor und Klaviermeister der Erzherzoginnen am Wiener Kaiserhof wirkte, reüssierte als Komponist in vielfältigen musikalischen Genres, einschließlich Kirchenmusik, Sinfonie und Oper. Einen besonderen Stellenwert in seinem Œuvre nimmt die Musik für Cembalo ein.
Nach Aussage seines Schülers Johann B. Schenk galt Wagenseil „noch vor Emanuel Bach“ als berühmtester Cembalist seiner Zeit. Die besonderen Qualitäten seines Cembalostils hebt aber auch das Wienerische Diarium am 18. Oktober 1766 hervor: „Seine Art Clavier zu spielen, und die Soli des Concerts auf diesem Instrument“ so heißt es dort, „haben was Hinreißendes, Einnehmendes, das auch noch nach vielen Jahren seinen Ruhm befestigen wird. Die Kunst, diesem Instrument, welches so wenig des Gesanges fähig ist, weil es fast nur zum Accompagniren gemacht zu seyn scheint, (...)
mit Hülfe der begleitenden Violinen eine Art von Gesang zu geben, war Wagenseil vorzüglich vorbehalten. Seine Delikatesse, geputzte Passagen, fremde, aber ungezwungene Modulationen, mit welchen er auf eine ihm eigene Art durch alle Töne gehet, zeugen von der Einsicht eines großen Meisters.“
Diese Beobachtungen lassen sich durchaus auch auf die vorliegenden sechs Sonaten mit
Begleitung einer Violine beziehen. Der Druck, der um 1761 als Opus 2 bei A. Hummel in
London erschien, ist zugleich ein Dokument für den verlegerischen Erfolg, der Wagenseil
als ersten österreichischen Komponisten zu einer europäischen Berühmtheit machte - und
nicht zufällig waren es Werke von Wagenseil, die dem achtjährigen Mozart zum Klavierspiel vorgelegt wurden, als er 1764 den königlichen Hof in London besuchte.